Auf meiner Reise von Berlin nach Alfter über Marburg und Trier wollte ich einen kleinen Abstecher über das Saarland machen. Das klingt ein wenig nach der Route Paris-Rom-Erkner. Für mich war der Weg das Ziel. Ich hatte eine Woche Zeit und keine Lust, die Strecke so schnell wie möglich auf der Autobahn hinter mich zu bringen. Vor ein paar Wochen wollte ich schon einmal das Saarland besuchen, wurde jedoch vom Wetter und einem daraus folgenden Hochwasser ausgebremst.
Drei Tage in Marbach lagen jetzt hinter mir. Noch in Marburg hatte ich versucht, eine Unterkunft unweit von Völklingen zu finden. Der Plan war, die Hütte zu besichtigen und weiter in ein Landhotel in schöner Umgebung zu ziehen. Aber spontan war da nichts zu machen. So buchte ich eine Nacht in einem verdächtig preiswerten Gästehaus in verkehrsgünstiger Lage, direkt am großen Kreisverkehr in Völklingen mit Blick auf die Stahlwerke und den dazugehörigen Güterbahnhof.
Gleich nach meiner Ankunft in Völklingen startete ich eine ausgiebige Besichtigung des Weltkulturerbes in der ehemaligen Hütte. An dieser Stelle nur ein paar Worte. Ich konnte mich auf dem Gelände und in den düsteren Katakomben in die Bedingungen, denen die Stahlarbeiter ausgesetzt waren, hineinversetzen. Der Staub war genauso zu spüren, wie die Hitze und der Lärm. Obwohl die Sonne schien, war die Stimmung zwischen den riesigen Hochöfen und den wuchernden Stahlkonstruktionen bedrückend. Auch die Kunstausstellung konnte nichts daran ändern. Nach vier Stunden gab ich dem Drang nach, das Stahlwerk schnell wieder zu verlassen, und war dankbar, dass ich am Ausgang einen Biergarten fand.
Jetzt war es an der Zeit, in der Unterkunft einzuchecken. Die Suche nach einem Parkplatz war nicht so schwierig, wie befürchtet. Ich trug meine kleine Tasche und den Rucksack einen Block weiter und stand vor dem Gebäude, das sich Gästehaus nannte. Im Erdgeschoß war eine Gaststätte untergebracht, die deutlich erkennbar seit Langem geschlossen war. Um die Ecke befand sich der Hauseingang mit ein paar Klingelschildern, deren Namen nicht auf das Gästehaus hindeuteten. Während ich in meinen Reiseunterlagen nach einer Telefonnummer suchte, wurde ich von einer Passantin angesprochen, die meinte, das Haus stehe schon länger leer. „Da wohnt niemand, da werden auch keine Zimmer vermietet.“ Etwas ratlos schaute ich an der Fassade nach oben, alle Fenster schienen zu verwaisten Räumen zu gehören. Die in der Buchung angegebene Telefonnummer war allerdings nicht verwaist. Es meldete sich eine Frauenstimme mit einem osteuropäischen Akzent. Die Frau wunderte sich zunächst über meinen Anruf, als ob es ungewöhnlich ist, dass wirklich jemand, den sie nicht kennt, ein Zimmer gebucht hat. „Erwarten Sie denn heute keine Gäste?“ „Ich habe noch gar nicht in der Liste nachgeschaut, wie war ihr Name? Einen Moment bitte, ich schaue kurz nach …. Ja, gut, wo sind sie gerade?“ „Ich stehe vor der Haustür, die ist verschlossen und es gibt keine Klingel.“ „OK“, meinte sie, „Ich bin im Haus und mache gerade sauber. Sehen sie links neben der Tür den Schlüssel-Safe?“ Das konnte ich bestätigen. „Da geben sie ihren Code ein und nehmen Schlüssel Nummer 6“. „Äh, welchen Code?“ Es verstrich eine Minute, während der die Frau in ihrem Handy nach dem Code suchte. „Wir haben den Safe lange nicht benutzt, deswegen musste ich erst mal nachschlagen“ entschuldigte sie sich. Dann nannte sie mir die Zahlenkombination und kurz darauf betrat ich den Hausflur. Dieser erwies sich als geräumig, etwas dunkel und auf jeden Fall befand ich mich in einem unbewohnten Gebäude. Bevor ich, wie gebeten, in das zweite Geschoß stieg, warf ich einen Blick in einen dunkeln Flur, der zur ehemaligen Gaststätte führte. Es stand Inventar herum. Eine offene Tür gab den Blick in eine Küche frei, in der tatsächlich noch einige Vorräte gelagert wurden. Bisher hatte ich außer meinen eigenen Schritten kein Geräusch wahrgenommen. Im zweiten Stock angekommen, durchquerte ich eine offene Wohnungstür und fand mich in einem langen Flur wieder. Die Frau, mit der ich telefoniert hatte, erschien in einer anderen Tür und begrüßte mich. Um in mein Zimmer zu gelangen, gingen wir an mehreren Türen vorbei den Flur entlang bis zum Ende. „Oh, ist das heiß!“ Entfuhr es ihr, als wir das Zimmer betraten. Sie zeigte mir noch kurz ein paar Details und wünschte mir einen angenehmen Aufenthalt. Die Hitze im Zimmer wunderte mich nicht, schließlich hatte die Sonne den ganzen Tag auf die Fensterfront geschienen. Die Fenster waren geschlossen und die Vorhänge dunkelten den Raum ein wenig ab. Mir war klar, dass ich vor der Nachtruhe für frische Luft und Abkühlung sorgen musste. Allerdings schwoll der Lärm im Zimmer bei geöffneten Fenstern stark an. An einen Aufenthalt während des Lüftens war nicht mehr zu denken.
Nachdem ich meine Sachen verstaut und mich ein wenig frisch gemacht hatte, fand ich mich schon auf der Straße wieder.
Der Versuch, an einem Freitagnachmittag einen kleinen Stadtspaziergang mit einem Besuch am Imbiss und der Beschaffung von zwei Flaschen Bier und Chips zu kombinieren, scheiterte kläglich. Zunächst war ich noch entspannt, als ich bereits zwei „Spätis“ mit leeren Händen wieder verlassen musste. Das Internet konnte mir noch einen sehr beliebten Italiener und ein angesagtes Döner-Restaurant empfehlen. Ersterer war wegen Urlaub geschlossen und das Zweite war ausgebucht, meinte der Wirt. Alle Tische waren frei, aber in einer halben Stunde würden alle, die rechtzeitig vorbestellt hätten, das Lokal bevölkern.
Mein letzter Versuch war eine Mahlzeit im Hotel Ristorante Kurtz. Dafür musste ich noch eine halbe Stunde Zeit totschlagen, bis es um 18 Uhr öffnete. Dies war mit der mitgebrachten Lektüre kein Problem.
Die Speisekarte bot neben Schnecken, italienischer Roulade, Pizza, Pasta auch Schnitzel und argentinische Steaks an. Das von mir gewählte Cordon bleu war nicht schlecht, mir fehlte jedoch etwas Sauce. Eine Stunde und dreißig Euro später trat ich gesättigt aber enttäuscht von meinem Städtetrip den Heimweg in das Gästehaus an. In meinem Gepäck fand ich einen Tetrapack Tomatensaft, der mir den Abend retten sollte.
Die Empfehlung für das Frühstück am Morgen der Abreise kann ich gerne weitergeben. Im P.K. Kaffeehaus Genuss am Markt wurde mir zu einem angemessenen Preis ein versöhnliches Frühstück serviert.